Manche können es einfach… Wenn J.K. Rowling vom Kürbissaft erzählt, Rilke von einem Stäbewald oder Heinrich Gerlach von der klirrenden Kälte in Stalingrad, entstehen so kraftvolle Bilder in unseren Köpfen, dass es sich anfühlt, als seien wir hautnah dabei. Ihre Sprache ist nicht nur bildgewaltig, sondern vor allem auch das: schön. In dieser Tale Trapper Folge begeben wir uns auf die Spuren der wirklich schönen Sprache und wie es gelingt, selbst schön zu schreiben.
Durch viel lesen und viel schreiben. So, damit hätten wir es dann auch schon wieder geschafft für dieses Mal ... Das ist sie eigentlich, die Antwort auf die Frage, wie man schönes Schreiben lernen kann. Ziemlich unbefriedigend, aber es stimmt leider und wenn du mir nicht glaubst, dann vielleicht dem internationalen Bestseller Autor Stephen King. Der empfiehlt ein Pensum von 80 Büchern pro Jahr. Jap, ich habe mich nicht verschrieben, dieser Verrückte zieht sich tatsächlich so um die sechs Exemplare pro Monat rein. Ich habe absolut keine Ahnung, wie er das hinbekommt, aber es scheint zu helfen. Zum Glück müssen wir uns nicht auf das Niveau von Stephen King hocharbeiten, der es auf über 400 Millionen verkaufte Bücher weltweit gebracht hat. Mir persönlich würden 66 Millionen vollkommen ausreichen, das ist ungefähr ein Sechstel davon und dieser Logik folgend, reicht dann auch ein Buch pro Monat. Spaß beiseite, die Arbeit von anderen Autoren zu lesen, sowohl die guten als auch die vielleicht weniger guten, ist notwendig, wenn du dein Schreiben verbessern willst. Ich persönlich führe dabei eine kleine Liste mit Worten, die mir bei anderen Büchern besonders gut gefallen oder notiere mir eine bestimmte Art der Beschreibung von Szenen, Bewegungen, Orten etc. Wann immer ich dann beim Schreiben bzw. beim Rewrite über weniger schöne Stellen stolpere, hole ich die Liste raus und überprüfe, ob ich die Passage etwas aufpeppen kann.
Dabei ist es eigentlich nicht so wichtig, welchen Autor du liest, als viel mehr, dass du liest. Mich persönlich hat hinsichtlich der Sprache jedoch besonders die Arbeit von Michael Köhlmeier, Jan Fosse, Fred Vargas, Heinrich Gerlach, Pierre La Mure, Kent Haruf und Heinrich Böll inspiriert.
Mindestens genauso wichtig wie das Lesen ist das Schreiben. Schreiben, schreiben, schreiben solltest du, schreiben am Morgen, schreiben am Abend, schreiben, wann immer es die Zeit erlaubt, so viel und so oft du kannst. Es ist wie mit allem anderen auch, wenn du gut in etwas werden willst, musst du Zeit hinein investieren, daran führt kein Weg, kein Hack und auch kein Youtube-Erklärvideo vorbei. Trotzdem habe ich natürlich ein paar nützliche Tipps in petto, die dich vielleicht ein bisschen schneller an dein persönliches Ziel bringen:
The Rule of Three
Wenn Autoren von Rhythmus sprechen, klingt das immer wahnsinnig abstrakt und ist für viele sehr schwer greifbar. Deswegen lass uns für den Moment mal nicht von der Autorenseite ausgehen, sondern von der Leserseite. Was ist da ein guter Rhythmus? Na ja, einer, bei dem es sich eben nicht wie Lesen anfühlt. Einer, bei dem die innere Stimme geschmeidig über die Zeilen gleitet, sich in ständigem Fluss bewegt, bei dem keine Fragen offen bleiben oder das Kopfkino ins Stocken gerät. Kurz gesagt: wir müssen bei der Länge und Konstruktion der Sätze darauf achten, dass die kognitive Kapazität unserer Rezipienten nicht überstrapaziert wird. Vielleicht erklärt es sich am besten mit einem Beispiel. Im folgenden Absatz, werde ich hinter jeden Satz die Anzahl der darin enthaltenen Buchstaben abtippen:
Man kann einen langen Satz schreiben, mit vielen Nebensätzen, Einschüben, etwaigen anderen Gedanken und sogar galantem Geschnörkel, um einen gewissen dramatischen oder künstlerischen Effekt zu erzielen (176). Danach braucht es aber auch Entspannung (34). Das hilft dem Leser und macht ihn bereit für längere Passagen (51). Die werden dann wieder ausgeschmückt, verschönert, ausgedehnt, mit Ideen gespickt und hochpoliert (86). Bis es wieder ruhiger wird (22). So entsteht ein Rhythmus, dem der Leser leichter folgen kann (51).
Aufgefallen? Der vorangegangen Abschnitt lässt sich in zwei Gruppen zu jeweils drei Teilen untergliedern. In jeder Gruppe ist der erste Satz mit Abstand der längste und nimmt circa 50-70% der Gesamtlänge ein. Der unmittelbar darauffolgende Satz ist dann mit einem Anteil von circa 10-15% sehr kurz. Er bringt Ruhe rein und erlaubt es dem Leser im wahrsten Sinne des Wortes kognitiv durchzuatmen. Der daran anschließende Satz ist mit ungefähr 20-30% wieder etwas länger und wirkt gewissermaßen als Vorbereitung auf die nächste Gruppe, die dann wieder mit einem langen Satz beginnt.
Ist diese Regel in Stein gemeißelt? Nein, auf gar keinen Fall, es gibt viele Arten auf die man den Rhythmus gestalten kann, keine ist richtig oder falsch. Aber man sollte den Fluss immer hinsichtlich des Lesers ausgestalten und stets im Blick behalten, was man bei diesem auslösen möchte. The rule of Three kann dir dann als Basis weiterhelfen. Denn gerade am Anfang neigen Autoren dazu, sich zu verhaspeln. Sie wollen auf Anhieb so klingen wie ihre großen Vorbilder und überfordern mit diesem starken Verlangen dann die Leserschaft. Sich daran zu erinnern, dass es ein stetiges auf und ab braucht, die Ruhe genauso wie das Chaos, Engelchen wie Teufelchen, Ying und Yang, ist deswegen sehr wichtig und eine kleine Zahlenregel kann dabei eine nette Stütze sein.
Auch darüber hinaus ist die drei immer eine gute Faustformel. Das liegt daran, dass drei Punkte eine Gerade festlegen und notwendig sind, um aus bloßen Fragmenten ein Ganzes zu erschaffen. Das kommt nicht von mir, sondern von Aristoteles, der schon vor sehr, sehr, seeehr langer Zeit gesagt hat: „Ein Ganzes ist, was Anfang, Mitte und Ende hat.“ (Aristoteles, S. 25). Wenn du eine Aufzählung schreibst, lass sie mindestens drei Elemente beinhalten, wenn du einen Text konstruierst, überlege dir, wie du ihn in drei Teile untergliedern könntest, wenn du keinen Bock mehr hast, trink drei Schnaps, du verstehst das Prinzip?!
Gänsehaut und Kopfkino
Wenn du Dinge beschreibst, versuche sie dir in jeder möglichen Perzeptionsdimension vorzustellen. Gehe im Kopf die folgende Checkliste durch:
Wie riecht es?
Wie schmeckt es?
Wie fühlt es sich auf der Haut an?
Wie fühlt es sich unter der Haut an?
Wie hört es sich an?
Wie sieht es aus?
Ich habe die Punkte mit Absicht nummeriert und dabei das Sehen an die letzte Stelle gestellt. Denn wenn wir beschreiben, verlassen wir uns meist auf diesen stark ausgeprägten Sinn. Aber hast du vielleicht schon einmal beobachtet, was ein Geruch in deinem Körper auslösen kann? Du musst diesen nicht einmal bewusst wahrnehmen, doch eines Tages fährst du an einem frisch gemähten Feld vorbei und – Zack! – fühlst du dich wie damals, vor über fünfzehn Jahren, als du mit deinen Freunden bis zum Abendrot über die Wiesen gestreift bist. Olfaktorik ist ein starker emotionaler Anker, den du beim Schreiben unbedingt gebrauchen solltest, genauso wie jeden anderen Sinneskanal.
Wenn du dann auch das Visuelle beschreibst, stelle dir vor, du sitzt im Schnittraum eines Kinofilms. Du kannst jederzeit an einem Rädchen drehen und damit das Bild auf das hundertfache vergrößern. Dadurch siehst du auch die Dinge, die einem beim Vorbeigehen und im Alltag gar nicht auffallen. Und genau das sind die Goldnuggets, die es zu finden und auf Papier zu bringen gilt.
Bla Bla Bla
Wenn es um Dialoge geht, machen viele den Fehler, dass sie versuchen, gesprochene Sprache vollständig zu imitieren. Dialoge in Büchern und Drehbüchern sind aber nicht echte Sprache! Sie sind diejenigen Worte und Sätze, die uns nach einem Streitgespräch einfallen und bei denen wir uns denken: „Das hätte ich sagen sollen, warum fällt mir das erst jetzt ein?!“ Das heißt für uns, dass Dialoge zwar nach gesprochener Sprache klingen, in Wahrheit aber immer intelligenter, pointierter und schlichtweg besser sind als das, was uns im Alltag begegnet. Die Kunst besteht also darin, den Schein zu wahren. Hierzu zwei einfache ad hoc Maßnahmen – eine inhaltliche und eine stilistische:
Zunächst solltest du vermeiden, dass Charaktere das beschreiben, was sie sehen oder tun. Generell ist Dialog nicht primär dazu da, Vorkommnisse und Hintergründe der Handlung zu erklären. Ein „Wie du weißt, verhält es sich so und so“, ist deswegen schlecht, weil es unlogisch ist, jemandem etwas im Detail zu erklären, wenn er die Sache selber kennt. Ein „Ist das deine Küche?“ Von Charakter A zu Charakter B ist unnötig, wenn der Charakter A weiß, dass er sich im Haus von Charakter B befindet. Generell gilt Show, don’t tell (Dazu in einer anderen Tale Trapper Folge mehr!).
Der häufigste stilistische Fehler ist sicherlich der Gebrauch des Imperfekts anstelle des Perfekts. Es gibt nur wenige Menschen, die sagen: „Ich sah das Auto“ anstelle von: „Ich habe das Auto gesehen.“ Die einzige Ausnahme dieser Regel wäre, wenn genau diese Eigenheit die Stimme eines Charakters auszeichnet und zu dessen Persönlichkeit passt. Es ist immer eine gute Idee, wenn du dir für jede Figur eine eigene Stimme mit Eigenheiten, Ticks und Worten überlegst, die deren Persönlichkeit betonen. Ist sie der Typ, der unentwegt faselt und einen nicht zu Wort kommen lässt, der griesgrämige Schweiger (nicht Til!) oder doch eher der eloquente Professor?
Zum Schluss noch eine Sache, die nicht von mir kommt, sondern abermals von Stephen King. Konkret aus seinem Buch On Writing. Er empfiehlt, Adverbien bei den Sprechbeschreibungen der Dialoge wegzulassen. Also anstatt "...", sagte er fröhlich nur "...", sagte er. Anstatt "...", erklärte sie wütend nur "...", erklärte sie usw. In 90% der Fälle halte ich mich an diese Regel, weil sie mich im Sinne von Show, don't tell dazu zwingt, das Sentiment bzw. die Emotion des Dialogs mithilfe der Aktionen der Figuren und der Art des Gesagten zu übermitteln und nicht mit einer plumpen direkten Beschreibung. Wenn ich aber das Gefühl habe, dass etwas fehlt oder ich eine Betonung setzten will, dann drücke ich gerne mal ein Auge zu.
Stil- und Hilfsmittel
Okay, keine Sorge, das hier soll auf keinen Fall in einen Deutschunterricht ausarten und um ehrlich zu sein, habe ich auch lange überlegt, ob ich sie überhaupt erwähnen soll: die berühmt berüchtigten Stilmittel. Ich glaube, es ist nicht notwendig, alle Stilmittel zu kennen. Zu sagen, dass ich sie gar nicht benutze, wäre aber eine Lüge. Vor allem die Anapher, die Alliteration und die Metapher verwende ich ganz gerne. Wenn man meine Texte analysiert findet man darüber hinaus noch einen Haufen andere, aber die setze ich nie bewusst ein und deswegen kümmern sie mich auch nicht weiter. Insgesamt versuche ich einfach, meine Texte interessanter zu machen und das klappt am besten, wenn sie anders sind als die anderen. Das bedeutet konkret: wann immer ich ein Wort benutze, gebe ich mich nicht mit dem erstbesten zufrieden, das mir in den Sinn fliegt. Während ich schreibe und vor allem beim Rewrite ist Google mein ständiger Begleiter. Ich suche dann meistens nach Synonymen für Adjektive, nach alternativen Verben oder besseren Bezeichnungen von Gegenständen. Dabei gilt die Regel: je spezifischer desto besser! Lass es kein Boden sein, sondern Laminat, lass es keine Zigaretten sein, sondern Marlboro, lass es kein Baum sein, sondern eine Esche. Be specific!, wie der Italiener sagt.
Zum Abschluss und nach diesen ganzen Regeln noch eine ganz besonders wichtige Botschaft für dich: es gibt keine Regeln! Bestes Beispiel dafür ist, dass ich gerade bewusst ein Oxymoron eingesetzt habe, obwohl oben stand, dass ich das nicht tue. Die „Regeln“ aus diesem Artikel sind nur Referenzpunkt, die dir dabei helfen können, dein Schreiben zu verbessern. Allerdings ist es vor allem zu Beginn recht ratsam, sich an gewisse Normen zu halten. Denn daraus auszubrechen will durchaus gelernt sein. Demzufolge können auch Bücher und Grundlagenwerke nützlich sein, welche die Basisregeln eines guten Schreibstils erklären (bestes Beispiel im Englischen ist The Elements of Style). Am Ende stehen wir aber doch wieder am Anfang, da führt kein Weg daran vorbei: du musst schreiben, schreiben, schreiben und lesen, lesen, lesen.
Quelle:
Aristoteles (2002): Poetik. Ditzingen, Philipp Reclam jun. GmbH & Co.
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